Photographie … und mehr

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„Anmeldung“. © Foto: GGV (aus der Serie „Schilder aus Schilda“)

Biographisches

Ein Rückblick auf biographische Erfahrungen lässt mich erkennen, dass es schon früh Impulse für mein photographisches Interesse gab, die bis heute nachwirken. Zunächst war es der Einfluss meines Vaters, der davon berichtete, wie er den Russlandsfeldzug mit seiner Leica (die den Krieg nicht überlebt hat ..) dokumentiert hat, und der mir dann schon 1960 eine kleine Kodak-KB-Kamera schenkte. Dann gab es in meinem Heimatort die „Photo-Drogerie Knie“, bei der nicht nur die Kodak gekauft wurde, sondern auch alle Laborarbeiten erledigt wurden. Herr Knie ließ mich sogar hin und wieder in seinem Labor hospitieren und sorgte dafür, dass ich ein Lehrbuch für Photolaboranten bekam. Das kam mir schließlich bei einer mehrjährigen schulischen Photogruppe sehr zustatten, die der Physik- und Chemielehrer durchführte. Dass ich die Schulzeit dann im Rahmen eines Praktikums mit einer photographischen und chemietheoretischen Dokumentation der aufwändigen labortechnischen Qualitätskontrolle in einer Baustofffabrik abschloss, war nur konsequent. Heute mag es wie ein Anachronismus erscheinen, aber Photographie war damals zu großen Anteilen praktische Physik (nämlich Optik) und eben auch Chemie (bei allem was mit Negativen und Positiven und der dazu gehörigen mehrstufigen Bearbeitungsprozesse zu tun hat), so dass Photographie nicht zufällig oft eine Domäne von „Drogisten“ war.

Erst viel später konnte ich mir ein eigenes Photolabor leisten, das gelegentlich familiäre Konflikte auslöste. Nicht nur, weil nicht selten die ganze Wohnung nach Essig und Entwickler stank, sondern stundenlang „auf keinen Fall“ das Bad betreten werden durfte, so sehr es auch drängen mochte … Die handwerkliche Seite der Photographie wurde besonders durch Andreas Feininger (Sohn des Malers und Bauhaus-Lehrers Lyonel Feininger) beeinflusst. Dessen viel beachtete Photographie-Lehrbücher habe ich schon als Schüler immer wieder Satz für Satz studiert und dann alle Anweisungen praktisch ausprobiert. Feiniger hat aber auch Ästhetisch manche Spuren hinterlassen – lange bevor IKEA anfing, dessen Photo-Klassiker als Poster zu verramschen (auch ich habe mich da mehrfach bedient … und bin dem Konzern dafür dankbar).

Idee

Hauptmerkmal meiner Photographien ist das Entdecken und Festhalten der Besonderheiten des vermeintlich Trivialen und Banalen im Alltag: die Schönheit und das Geheimnisvolle, aber auch das Absurde und Witzige, manchnmal sogar das Schreckliche des in der Normalität der Gesellschaft Verborgenen. Dahinter steht einerseits ein sozialdokumentarisches Interesse an sozialen Verhältnissen, wie sich sich in Erscheinungen des tagtäglichen Lebens zeigen. Andererseits geht es darum, in den ‚Fundstücken‘ singulärer gesellschaftlicher Momente eine spezifische Ästhetik mit ’subjektorientiertem‘ Blick aufzuspüren.

Dieses Verständnis lehnt sich in wichtigen Teilen an die „Street Photography“ an, mit berühmten Vorbildern, darunter für mich vor allem die erst spät entdeckte geniale Vivian Maier und vorher auch schon Dothea Lange. In diese Reihe fügte sich erst jetzt Lee Miller ein, deren eindrucksvolles photographisches und journalistisches Werk vor dem Hintergrund ihrer faszinierenden Biographie und nicht zu letzt ihrer Erfahrungen im zweiten Weltkrieg in Folge des „D-Day“ mich die letzten Jahren immer wieder beschäftigt hat. Der US-amerikanische Photograph Walker Evans bezeichnete sein vergleichbares Interesse als „mystischen Dokumentarismus“. Vor allem in seiner Arbeit zusammen mit James Agee  über das soziale Elend im Süden der USA während der „Great Depression“ sah er explizit Ähnlichkeiten zu einer soziologischen Perspektive, die, wie er (und die anderen genannten Phtograpinnen), „soziale Verhältnisse“ aufzeigt.

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„Hitze“. © Foto: GGV (aus der Serie „Kursberg“)

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„Ausgang-Eingang“. © Foto: GGV (aus der Serie „Schilder aus Schilda“)

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„Elektro-Gas-Wasser“. © Foto: GGV (aus der Serie „Schilder aus Schilda“)

Perspektive

Man könnte in diesem photographischen Stil Parallelen zu der ebenfalls alltagsnahen Perspektive und Methodik meiner soziologischen Forschungsarbeit sehen. Auch diese versteht sich explizit als dokumentarisch, mit einem mikrosoziologisch-analytischen Blick auf den unendlichen formalen und praktischen Reichtum der kulturellen Klein- und Zwischenstrukturen des Alltags der Gesellschaft – einschließlich der sie umgebenden Dingwelt. Dass vor diesem Hintergrund die in der Soziologie nach wie vor randständigen Fragen nach dem „Visuellen“ in der Gesellschaft und im Gegenzug nach visuellen Forschungsmethoden und visuellen Formen der Präsentation von Erkenntissen eine besondere Aufmerksamkeit finden, liegt nahe („Visual Sociology“).

Themen

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„Tourists“. © Foto: GGV (aus der Serie „Schilder aus Schilda“)

Ein bevorzugtes photographisches Thema sind schriftliche oder symbolische Äußerungen (und der oft darin versteckte Witz) auf ‚Schildern‘ aller Art, wie sie sich in großer Vielfalt im Alltag finden lassen – was zu einer Serie „Schilder aus Schilda“ geführt hat. Auch hier findet sich eine Paralle zu Walker Evans, der sich schon früh mit dem Thema „signs“ (Schilder) beschäftigt hat.

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„Wir ändern alles“. © Foto: GGV (aus der Serie „Schilder aus Schilda“)

Daneben gibt es einige eher im engeren Sinne dokumentarische Serien, etwa über Reisen nach Nicaragua und New York in den frühen 1980er Jahren, über den Ort Rottach-Egern, über den Botanischen Garten in München oder eine ländliche Region in Franken und eine Serie von Photographien aus einer Tanzperformance.

Technik

Lange Zeit habe ich ausschlißlich schwarz-weiss und analog photographiert und zumindest die Positivverarbeitung im eigenen Labor durchgeführt (was ich schon seit langen sehr vermisse). In letzter Zeit kommt es aber immer häufiger zu Experimenten mit Farbe, oft in Form von Naturdarstellungen. Als Gerät diente meistens eine NIKON F2 aus den 1970er Jahren (fast immer mit einem 85mm Nikkor), gelegentlich auch eine Olympus-Pocketkamera und hin und wieder (vor allem für Naturaufnahmen) eine schwere Zenza Bronica 6×6 aus den 1960er Jahren mit diversen Nikkoren. Technische Probleme bei der leider schon sehr altersschwachen Nikon und der technische Wandel mit völlig neuartigen Möglichkeiten haben dazu geführt,  dass ich nach und nach auf digitale Technik umstelle (was mich aber zunehmend durch die damit verbundenen hoch komplexen Anwenungen auch zur Belastung wird). Im Moment ist das aber (neben einem Smartphone) eine kleine Canon Power Shot sowie eine aktuelle Fujifilm X100V. Vermutlich wird aber bald wieder ein Vollformat-Gerät hinzukommen, evtl. einer der neuen Nikon-Geräte aus der Z-Serie, auch um alte Nikon-F Objektive weiter nutzen zu können. Als Einstieg habe ich mir jetzt eine Nikon Z 5 zugelegt, um die neue Strategie der Firma auszuprobieren. Vermutlich hätte die brandneue Nikon Z f besser zu mir gepasst, mit der Nikon anscheinend beginnt seine alte rein analoge F-Tradition wieder in einer Art Simulation aufleben zu lassen (ähnlich auch die jetzige digitale Nikon fc im APSC-Format). Ob das Erfolg hat bleibt abzuwarten. Zeitgleich ensteht nämlich eine bemerkenswerte Renaissance der Analog-Photographie (technisch, ästhetisch usw.) bei einer Generation jüngerer Photoenthusiasten, die nicht selten mit einer deutlichen Nachfrage nach alten Geräten (oder nach Phototechnik, die das wie bei Nikon simulieren ) einhergeht.

Eine digitale Weiterverarbeitung meiner vielen analogen (und oft noch nicht systematisch weiterverarbeiteten) Negative wird aber schon länger (gelegentlich mit Verlustängsten ..) praktiziert – Grundlage ist dafür das Opensource-Programm Gimp zur Photobearbeitung (und nicht der Marktführer Photoshop, den ich gezielt vermeide). Ohne diese Hilfen waren auch die Abbildungen auf dieser Webseite nicht möglich gewesen. Dass ich gelegentlich auch schon mein Smartphone als Phototechnik verwendet habe (und über die Qualität der Bilder manchmal gestaunt habe) will ich zugeben.

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„Fenster“. © Foto: GGV (aus der Serie „Kursberg“)

Serien

Ein großer Teil der Photographie lässt sich thematisch bündeln oder wurde als Serien konzipiert:

  • „Lower East Side“: Photographien aus Manhattan, NYC
  • „Schilderwald“: Photographien aus dem Botanischen Garten
  • „Schilder aus Schilda“: Schilder, Zeichen und sprachlich-graphische Hinterlassenschaften im Alltag der Gesellschaft
  • „Rottach-Egern – A Study in Bavariodity“: Photographien aus einer sich bayerisch inszenierenden Urlaubsstadt (in Arbeit)
  • „Nicaragua“: Eindrücke einer Reise durch ein exotisches Land zwischen Karibik und Pazifik kurz nach einer Revolution (in Arbeit)
  • „Kursberg und Umgebung“: Ländliche Impressionen aus einer Region östlich von Nürnberg (in Arbeit)
  • „Modern Dancers“: Aufnahmen aus einer Tanz Performance in München (in Arbeit)
  • „Portraits“: Sammlung von Portraits, die in den letzten Jahren entstanden sind (in Arbeit)

sowie

  • „Ästhetische Versuche“ mit einem 6×6-Negativ (in Arbeit)
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„Früchte“. © Foto: GGV

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„Rettungstuch“. © Foto: GGV